Keynotes

Foto: Leibniz Institut für Bildungsverläufe (LifBi)

Prof. Dr. Marcel Helbig | Dienstag, 10. September 2024

Strukturelle Unterschiede im deutschen Schulsystem. Und warum wir nicht wissen, ob sie zu neuen Ungleichheiten führen. 

Das deutsche Schulsystem ist aktuell vor großen strukturellen Brüchen und Herausforderungen gekennzeichnet. Die Umsetzung der Inklusion seit Ratifizierung der UN-BRK, die Integration von neu zugewanderten Kindern infolge der Fluchtzuwanderung der Jahre 2015 und 2016 und des Ukrainekrieges, ein sich verschärfender Lehrermangel und die Zunahme kleinräumiger Ungleichheiten sind hierfür nur die prägnantesten Beispiele. Diese Herausforderungen treffen die Schulen allerdings sehr unterschiedlich. Es gibt Gymnasien, in denen sich fast nur Akademikerkinder befinden, in denen Inklusion und Integration von Flüchtlingen kein Thema ist und in denen fast keine Schulstunde ausfällt. Auf der anderen Seite gibt es Grund- und Gesamtschulen, in denen fast alle Kinder einen Migrationshintergrund haben, in denen der Anteil von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf hoch ist und nicht einmal genügend Lehrer vorhanden sind, um die Stundentafel abzudecken. Neben den Problemlagen sogenannter Brennpunktschulen, ist es gerade der ländliche Raum in einigen Flächenländern, in dem kaum noch Lehrkräfte für die dortigen Schulen rekrutiert werden können. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren eine soziale Bruchstelle im Schulsystem etabliert, der zwischen privaten und öffentlichen Schulen, besonders im großstädtischen Grundschulbereich. Ob und wie diese Herausforderungen die Ungleichheiten im deutschen Schulsystem verstärken oder neue Ungleichheiten befördern soll in dem Beitrag diskutiert werden. Empirische Fakten, die hierzu belastbare Aussagen liefern sind jedoch rar und werden in der auf Top-Journal-Publikationen ausgerichteten Bildungsforschung kaum thematisiert. Dadurch werden auch die für die Bildungspraxis relevantesten Herausforderungen kaum durch die Bildungsforschung thematisiert.

Foto: Tobias Hopfgarten | Universität Potsdam

Prof. Dr. Katharina Scheiter | Mittwoch, 11. September 2024

Wissenschaft und Praxis im Dialog: Gelingensbedingungen und Herausforderungen von Transfer am Beispiel des Kompetenzverbund lernen:digital

Das schulische Bildungssystem muss in der Lage sein, flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen wie z.B. zunehmende Heterogenität von Schülerinnen und Schülern, Klimawandel oder auch digitale Transformation zu reagieren und Lernende auf eine erfolgreiche Teilhabe in einer sich verändernden Welt vorzubereiten. Eine Quelle für Innovation im Bildungswesen bieten wissenschaftliche Erkenntnisse, die zur Weiterentwicklung von Schule und Unterricht beitragen können. Der Transfer an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis ist Gegenstand einer im Frühjahr 2023 gestarteten Förderlinie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, in deren Rahmen vier fachlich und überfachlich charakterisierte Kompetenzzentren für digitalen und digital gestützten Unterricht in Schule und Weiterbildung – jedes bestehend aus vier bis acht standortübergreifenden Projektverbünden – eingerichtet wurden. In den Projektverbünden werden Konzepte für die Weiterbildung von Lehrkräften für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht und für die digitalisierungsbezogene Schulentwicklung forschungsbasiert entwickelt. Eine Vernetzungs- und Transferstelle bringt die Projektverbünde in den Austausch, betreibt eigene transferbezogene Forschung, macht Ergebnisse im Rahmen der Wissenschaftskommunikation sichtbar und unterstützt den Transfer der Ergebnisse der Projektverbünde in das Mehrebenensystem der Länder. Im Vortrag werden die im – aus Kompetenzzentren und Transferstelle bestehenden – Kompetenzverbund lernen:digital umgesetzten Transferstrategien beschrieben und Gelingensbedingungen und Hindernisse von Transfer bezogen auf unterschiedliche Akteursgruppen diskutiert.

Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler | Donnerstag, 12. September 2024

Ungleiches ungleich behandeln – Bedarfsgerechte Verteilung von Bundesmitteln auf die Länder im Rahmen des Investitionsprogramms und Auswahl von zu fördernden Schulen nach dem Startchancenprogramm

Das Startchancen-Programm ist eines der zentralen Vorhaben der Ampel-Koalition. Es leitet in gewisser Hinsicht mit der Abkehr vom Königsteiner Schlüssel im Rahmen der Bildungsfinanzierung einen Paradigmenwechsel in der bildungspolitischen Förderlogik ein. Die Mittel sollen dahin gehen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Es wurden im Rahmen der Verhandlungen zum Startchancenprogramm verschiedene Alternativen zum Königsteiner Schlüssel diskutiert. Einige als prinzipiell geeignet angesehene Verteilungsschlüssel werden vorgestellt und mit der letztlich gewählten Variante zur Finanzierung des Investitionsprogramms (Säule 1) verglichen. 

Dieser Schlüssel dient auch dazu die etwa 4000 Startchancen-Schulen auf die sechzehn Bundesländer zu verteilen. Da aufgrund der heterogenen Datenlage derzeit kein einheitlicher, d.h. länderübergreifend vereinbarter Sozialindex vorliegt, wird vom BMBF als Mindestanforderung von den Ländern die Berücksichtigung des Anteils von Schüler:innen im SGB-II-Bezug und mit Migrationshintergrund als Auswahlkriterien gefordert.

Anhand von zwei Beispielen, an denen die Autoren beteiligt sind, soll für die Ländern NRW und Schleswig-Holstein das konkrete Vorgehen bei der Konstruktion der Sozialindizes vorgestellt und erläutert werden.