Interview mit Hannah Arnold

Für ihre Masterarbeit „‘Unwasting’ Waste: Valorisation of Agricultural By-Products in the Global Cocoa Production Network” wurde Hannah Arnold bereits Anfang des Jahres mit dem Förderpreis der Uni ausgezeichnet. Für ihre Forschung im Masterstudiengang Wirtschafts- und Sozialgeographie über die Strukturen im ghanaischen Kakaoanbau ist die ehemalige Studentin selbst für vier Wochen nach Ghana gereist. Vor Ort führte sie Interviews mit verschiedenen Akteur*innen aus dem Kakaosektor. 

Worum ging es in deiner Masterarbeit?

Es ging darum, wie man landwirtschaftliche Abfallerzeugnisse im ghanaischen Kakaoanbau wieder in Wert setzen kann. Ich habe mir im ghanaischen Kakaosektor angeschaut: Welche Abfälle gibt es dort? Ich bin dann auf die Kakaoschale gestoßen. Die Kakaofrucht hat eine Schale, Fruchtfleisch und die Bohnen. Meistens werden nur die Kakaobohnen weiterverarbeitet und das Fruchtfleisch sowie die Schale werden dann weggeschmissen bzw. werden sie nicht kommerziell genutzt. Ich bin dann nach Ghana gereist und habe mir vor Ort die lokalen Strukturen angeguckt, wie man aus diesen Schalen Pottasche-basierte Seife herstellen kann. Das ist eine lokale Tradition, die auch in Westafrika verankert ist und dort schon jahrzehntelang gemacht wird.

Ich habe mir deswegen auch nicht angeguckt: Wie wird das chemisch gemacht? Sondern: Welche Akteur*innen sind dort involviert? Wer macht was aus welchem Grund? Welche Hindernisse gibt es dort? Welche Faktoren würde es dort geben, um das zu unterstützen?

Eine junge Frau lächelt in die Kamera.
© Hannah Arnold
Hannah Arnold bei ihrem Aufenthalt in Ghana.

Wie kamst du darauf, dein Projekt im Ausland zu machen?

Im Rahmen des Masters gibt es immer ein großes Studienprojekt. Das heißt, unser Jahrgang ist das Jahr zuvor schon nach Ghana geflogen und dort haben wir auch zum Kakaoanbau geforscht. Allerdings zu einem anderen Thema.

Als ich dann auf der Suche nach einem Thema für die Masterarbeit war, ist Prof. Dr. Martin Franz auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich da mitwirken möchte. Und da dachte ich natürlich: Sehr gerne, ich finde das Thema super spannend! Und die Chance ist natürlich auch toll, daraus eine Masterarbeit zu schreiben.

 

Wie war die Umsetzung möglich?

Das Projekt war eingebettet in eine gemeinsame Konsumforschung mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit Ghana (GIZ Ghana), genauer gesagt mit dem Sustainable Cocoa Initiative Support Programme (SCISP). Zusammen mit zwei anderen Kommilitonen habe ich eine quantitative Umfrage für die GIZ konzipiert und im Gegenzug die Rahmenbedingungen bekommen, um meine eigene Forschung machen zu dürfen. Ich habe dann auch die Übersetzungsleistung von zwei Kolleginnen der GIZ in Anspruch nehmen können. Und genau das hat mir sehr viel weitergeholfen. Denn: Einige Menschen in Ghana sprechen kein Englisch und man bekommt mehr Infos, wenn man über die Muttersprache kommuniziert.

Finanziell war das Projekt auch gefördert durch die GIZ und die African Cocoa Platform (AfCoP). Uns wurden somit die Reisekosten erstattet und wir konnten mithilfe eines Tagessatzes unsere notwendigen Ausgaben vor Ort, wie beispielsweise die Verpflegung abdecken.

Wie viel von der Organisation des Projektes hast du selber übernommen?

Die Projektorganisation lag schon bei uns. Wir waren zu dritt und haben alle zu Themen innerhalb des Kakao-Sektors geforscht. Allerdings war mein Fokus auf schwarzer Seife, also auf der Seife aus der Pottasche der Kakaoschalen. Eine Kommilitonin hat sich mit dem Thema Kakaoschalen-basierter Kompost beziehungsweise zum Thema Dünger befasst und ein Kommilitone hat noch zum Thema Saft aus dem Kakaofruchtfleisch geschrieben.  Wir hatten alle unterschiedliche Themenschwerpunkte, hatten aber natürlich innerhalb unserer Forschung auch Überschneidungspunkte.

Ich habe dann vor allem mit Akteur*innen aus der Seifenproduktion gesprochen. Einerseits auf der Ebene von kleinen Produzent*innen, die die Seife zu Hause selbst produziert haben, andererseits habe ich mit Kosmetikunternehmen gesprochen. Wir haben auch gemeinsam mit anderen Stakeholdern gesprochen, wo wir uns thematisch überschnitten haben. Das heißt, wir haben dann zu dritt mit Mitarbeitenden der Regierung ein Interview geführt. Wir sind aber auch zusammen zur Uni in Kumasi gegangen. Bei bestimmten Personen haben wir Gruppeninterviews geführt und uns dementsprechend auch abgesprochen. Aber ansonsten haben wir unsere Forschung selbst organisiert und konnten dabei auf die Infrastruktur der GIZ Ghana zurückgreifen.

Dabei hat mir sehr geholfen, dass ich schon mal in Ghana war, weil ich ungefähr wusste, wie die Digitalität ist bzw. was mich erwartet. Da ist Flexibilität sehr, sehr wichtig. Wir hatten natürlich auch im Vorfeld probiert, Leute zu kontaktieren und vorab Gesprächstermine auszumachen. Allerdings hat das nicht oft geklappt, oftmals gab es keine Rückmeldung. Dann hilft es, wenn man direkt zu den Personen vor Ort hinfährt, sich an die Tür stellt und sagt: „Hier bin ich. Ich würde gerne ein Interview führen.“ Dann sollte man aber so flexibel sein, dass es möglich ist, auch in zwei Tagen wiederzukommen.

Außerdem sind wir in Accra, der Hauptstadt von Ghana, gelandet und auch dort wieder abgeflogen, also konnte ich dann auch Termine in der ersten Woche ausmachen, die ich dann vier Wochen später wahrgenommen habe.

 

War das dein erstes Projekt im Ausland?

In diesem Rahmen schon. Allerdings, wie gesagt, haben wir im großen Studienprojekt im Jahr vorher auch ein Projekt gemacht – allerdings als Gruppenprojekt. So konnten wir schon mal lernen, wie man über zwei Wochen Daten sammelt, mit Akteur*innen spricht, Interviews führt, sich selbst organisiert und als Gruppe dann auch einen längeren Abschlussbericht schreibt. Das war also mein erstes Projekt im Ausland.

Zwei Frauen führen ein Interview.
© Isabelle Dachs
Hannah Arnold führt ein Interview mit einer Seifenproduzentin.
Kakaofrüchte an einem Baum in Ghana.
© Hannah Arnold
Kakaofrüchte auf einer Plantage in Ghana.

Und wie hast du dich auf dein Projekt im Ausland vorbereitet?
Es war eine Mischung. Ich konnte auf meine Erfahrung zurückgreifen und war dadurch schon ganz gut gewappnet. Wenn ich das erste Mal in Ghana gewesen wäre, wären die Eindrücke sehr viel gewesen. Ich glaube, da hätte man sonst erst noch eine Woche früher da sein müssen, um sich daran zu gewöhnen – wie das Land funktioniert, wie die Leute funktionieren und auch wie man mit dem Klima klarkommt. Das hat mir auf jeden Fall geholfen.

Ansonsten habe ich vorab sehr viel recherchiert. Ich habe mir natürlich auch in meiner Forschung eine Forschungslücke gesucht. Ich wusste ungefähr, was es zu diesem Thema gibt. Bei mir war die Lücke allerdings sehr, sehr groß. Es ist natürlich toll, wenn man Forschung machen will, um was beitragen zu können. Allerdings auch schlecht, wenn man vergleichbare Studien sucht und guckt, wie haben das Andere gemacht, was kann ich davon übernehmen? Das hat auch viel Zeit gekostet. Außerdem habe ich zwei Interviews vor meiner Feldforschung in Ghana digital durchführen können. Das eine war mit einem Deutschen aus dem Kakaosektor, das andere mit einer Unternehmerin. Da wusste ich schon mal ungefähr, was ihre Sichtweise auf Dinge ist, konnte daraus schon ganz viel mitnehmen, was ich dann mit in die Forschung einbringen konnte.

Viel an Erfahrung habe ich trotzdem in der ersten Woche vor Ort gewonnen. Man kann sich sehr gut darauf vorbereiten, aber es gibt auch Grenzen. Dann muss man ein bisschen ins kalte Wasser springen.
 

Gab es irgendwas, was du ganz anders erwartet hast?

Dazu fällt mir spontan nur ein, wie die Menschen mir gegenüber getreten sind. Ich hatte zuvor ein paar Bedenken, z. B. wenn ich alleine in Taxis und Ubers unterwegs war, da ich nicht wusste, ob sie gerne mit mir über dieses Thema sprechen wollen. Letztendlich bekommen sie von mir in dem Moment nichts zurück. Das ist vielleicht ein Punkt, der mich überrascht hat, aber sehr positiv. Alle, denen ich von meiner Forschung erzählt habe, waren ganz begeistert, aber auch irritiert, dass ich über dieses Thema schreibe oder dass mich dieses Thema als ausländische Person interessiert. Die schwarze Seife wird dort als Gebrauchsgegenstand gesehen. Sie hat eigentlich keinen großen Wert für die lokale Bevölkerung. Es werden eher die hochpreisigen ausländischen Seifen angesehen. Die werden eher gekauft, weil die schwarze Seife etwas ist, was man in der Kindheit hatte. Die Großeltern haben sie zu Hause selber hergestellt. Wenn dann jemand kommt und das erforschen will und spannend findet, waren einige davon überrascht. Aber ich fand es sehr schön.

 

Und hattest du das Gefühl, dass es manchmal von Vorteil ist, dass du einen Blick von außen hast?

Auf jeden Fall. Ich glaube, man kann das nicht nur mit ja oder nein beantworten, denn ich stecke natürlich nicht in den Strukturen drin und muss mich darauf verlassen, was mir die Übersetzerin in bestimmten Situationen übersetzt.

Was für mich aber von Vorteil war: Ich habe einen Blickwinkel, der über den einzelnen Produktionsschritt hinausgeht. Das heißt: Die einzelnen Akteur*innen wussten sehr gut Bescheid über das, was sie machen, aber was nach dem Verkauf des Produktes passiert oder wo das Produkt herkam, darüber haben sie nicht nachgedacht. Dass ich dann alle Schritte betrachten konnte, aber auch die Mittel hatte, mit allen zu sprechen, war ein Vorteil und Privileg. Ich konnte es dann auch in den Diskurs bzw. die Theorie einordnen. Das ist natürlich immer von Vorteil, wenn man da ein bisschen Hintergrundwissen mitbringen kann.
 

Wie bist du mit den Leuten überhaupt ins Gespräch gekommen?

Ich habe einfach gegoogelt. Ich habe vor allem bei den großen Kosmetikunternehmen geschaut, wo sie im Land verteilt sind. Das war größtenteils in der Hauptstadt und in anderen großen Städten. Ich habe entweder eine Mail geschrieben oder dort angerufen. Als ich vor Ort war, bin ich tatsächlich oft einfach hingefahren und habe an die Tür geklopft. Ansonsten bin ich auch über Märkte gelaufen, auf denen die Seife verkauft wird und bin dort mit den Verkäuferinnen ins Gespräch gekommen.

Der Kontakt zu den Kakaofarmer*innen ist hauptsächlich über die GIZ gekommen, da sie über Kakaokooperativen mit den Farmen in Verbindung stehen. So konnten sie uns zu den Farmen fahren, die sind natürlich ein bisschen abgelegen und nicht gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Das war dann wie ein Schneeballsystem – man spricht mit einer Person und die leitet einen weiter an Andere. Ich hatte mir zwar im Vorfeld eine Liste gemacht, die ich aber aus verschiedenen Gründen nicht immer so abarbeiten konnte.
 

Gibt es irgendwas, was man generell bedenken sollte, wenn man im Ausland ein Projekt vorhat?

Ich glaube, man sollte sich der Sprache und der Kultur bewusst sein. Ich konnte jetzt hauptsächlich auf Englisch sprechen, aber es geht natürlich immer ein bisschen was verloren. Vor allem sollte man sich seiner eigenen Rolle bewusst sein: Wer bin ich, dass ich in ein Land komme und Menschen dort befrage, zu einem Thema, über das sie viel mehr wissen als ich. Das einzuordnen und auch die Reaktion einzuordnen.

In meinem Fall gehe ich als weiße Frau dorthin und bringe nur durch mein Kommen und mein Interesse Hoffnung mit. Die Personen, mit denen ich spreche, erhoffen sich etwas davon. Sei es Unterstützung durch die GIZ oder auch von mir persönlich. Sich dessen bewusst zu sein und das zu reflektieren, auch in der Arbeit zu reflektieren, gehört dazu. Die Ergebnisse also nicht einfach eins zu eins runterzuschreiben, sondern in Relation zu seiner eigenen Position zu setzen, ist glaube ich sehr wichtig.


Was hast du an Erfahrungen mitgenommen?

Ganz, ganz viel! Vor allem die Erkenntnis, dass man in der Lage ist, ein solches Projekt durchführen zu können. Es ist natürlich immer eine Überwindung, wenn man für einen Monat in ein Land geht, das sehr weit weg und auch fremd ist. Dort in der Lage zu sein, selbstständig seine Forschung zu führen und sich als Wissenschaftlerin zu präsentieren und damit auch ernst genommen zu werden von den Menschen vor Ort – das war eine sehr schöne Erfahrung.

Es war natürlich nicht leicht und es hat auch nicht alles so reibungslos funktioniert, wie ich mir das vorgestellt habe, aber letztendlich wächst man an dem, was nicht so glatt läuft. Auf jeden Fall habe ich einiges mitgenommen.

Man lernt auch immer mehr dazu. Ich habe viel Wissen dazu aufgebaut, wie man bestimmte Sachen noch mal neu angehen kann, wenn es beim ersten Mal nicht klappt. Man kann auch lernen, Hilfe anzunehmen, sich mit Anderen auszutauschen, wenn es nicht klappt.
 

Was hättest du gerne vorher gewusst?
Was man vielleicht ein bisschen unterschätzt, ist, wie viel Zeit man braucht. Ich bin vor Ort und sammle Daten, habe aber gar keine Zeit, sie auszuwerten.
Und natürlich war es klimatisch sehr schwül. Es ist der tropische Regenwald. Das ist einfach körperlich sehr anstrengend. Man kann nicht jeden Tag zehn Stunden an der Masterarbeit sitzen bzw. Interviews führen. Auch aufgrund der Infrastruktur vor Ort. Es dauert einfach eine bestimmte Zeit von A nach B zu kommen. Man muss viel warten und diese Zeit kann man nicht immer produktiv nutzen. Wenn man im Auto sitzt, für fünf Stunden, und es wackelt die ganze Zeit, dann hat man nicht den Laptop auf dem Schoß und transkribiert ein Interview. Also einfach ein bisschen gelassen an die Situation rangehen und dann klappt es ganz gut.


Was hat dir an Ghana gefallen?

Ich mag das Land sehr, sehr gerne. Die Natur ist sehr schön. Es ist natürlich aber auch ein armes Land. Es gibt viele Umweltprobleme, die dort vorherrschen, die die Menschen dort aber nicht unbedingt als Priorität sehen, was ja auch verständlich ist. Landschaftlich ist es sehr, sehr schön und auch menschlich. Ich hatte sehr viele schöne Begegnungen mit freundlichen Menschen, die einfach sehr interessiert waren, was ich gemacht habe. Alle hatten auch irgendeinen Bezug zu Deutschland und waren da ganz offen. Dementsprechend würde ich sagen: die Kultur, die Natur und auch einfach das Gefühl dort zu sein, mit den Menschen dort sprechen zu können und sich ein bisschen in das Land einbringen zu können.

 

Und hast du jetzt noch Kontakt zu Leuten, die du da kennengelernt hast?

Nicht direkt. Ich habe mit den meisten Personen, mit denen ich die Interviews geführt habe, keinen direkten Kontakt mehr. Ich hatte ihnen meine Kontaktdaten gegeben und ihre Daten am Ende aufgenommen, aber das war aufgrund der Forschung auch ein anonymisierter Kontakt. Ich hatte teilweise noch mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der GIZ Kontakt, allerdings jetzt nach zwei Jahren kaum noch. Ich bin mit einigen von der GIZ und manchen Interviewees auf LinkedIn vernetzt, da kriege ich einiges mit.

 

Und willst du noch mal nach Ghana reisen?

Sehr, sehr gerne tatsächlich. Ich habe aber nichts geplant. Ich weiß auch nicht, in welcher Zukunft oder in wie naher Zukunft das sein wird. Allerdings glaube ich, dass man das Land immer wieder bereisen kann. Es gibt immer wieder neue Sachen, die es zu entdecken gibt und kann es auf jeden Fall empfehlen.